Die Berufsunfähigkeitsversicherung schützt vor den finanziellen Folgen einer Berufsunfähigkeit. Erreicht oder überschreitet der Versicherte einen bestimmten Grad der Berufsunfähigkeit, ist die Versicherung dazu verpflichtet, die im Vertrag für den Versicherungsfall vereinbarte Leistung (Rente) zu erbringen. Neben der Unfallversicherung ist die Berufsunfähigkeitsversicherung das beliebteste Modell der Krankheits-/Invaliditätsabsicherung.
In Deutschland bleibt der Abschluss einer solchen Versicherung jedem selbst überlassen. Denn eine gesetzliche Berufsunfähigkeitsversicherung gibt es so nicht. Lediglich für vor dem 2. Januar 1961 geborene Personen besteht ein gewisser gesetzlicher Schutz im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Relevanz der Berufsunfähigkeitsversicherung steigt stetig. Denn neben Erkrankungen des Skelett- oder Bewegungsapparates sind Nervenkrankheiten und psychische Erkrankungen die häufigste Ursache für eine eintretende Berufsunfähigkeit. Und immer mehr Menschen leiden unter psychischen Erkrankungen die sie an der Ausübung ihrer Tätigkeit kurz- oder eben auch langfristig hindern.
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung kann als separate Versicherung, oder auch als Zusatz zu einer Lebens- oder Rentenversicherung abgeschlossen werden. Tritt dann der im Versicherungsvertrag vereinbarte Grad der Berufsunfähigkeit ein, ist die Versicherung zur Leistung verpflichtet. Meist ist im Versicherungsvertrag die Zahlung einer Fixrente vereinbart. Theoretisch sind aber ebenso dynamische Rentenvereinbarungen oder Staffelrenten möglich. Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung handelt es sich um eine Summenversicherung. Demzufolge ist die Versicherung immer dazu verpflichtet, die vereinbarten Renten im Versicherungsfall an den Versicherten zu zahlen - selbst wenn der Versicherte im Einzelfall gar keinen konkreten Schaden erleidet. Maßgeblich sind nur die Voraussetzungen, die im Versicherungsvertrag als Grundlage einer Leistungspflicht der Versicherung vereinbart sind. Aus dem Charakter der Summenversicherung folgt, dass das schadensrechtliche Bereicherungsverbot im Rahmen der Berufsunfähigkeitsversicherung gerade nicht gilt. Ein gesetzlicher Übergang von Ersatzansprüchen ist deshalb nicht möglich. Wenn also ein Dritter für den eingetretenen Schaden verantwortlich ist, kann die Versicherung bei diesem keinerlei Regress nehmen.
Wie der Name schon sagt, ist der Hauptbezugspunkt der Berufsunfähigkeitsversicherung die bestehende Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers. Doch was bedeutet „berufsunfähig“ eigentlich?
Auch wenn Verwechslungsgefahr besteht: Der Begriff der Berufsunfähigkeit ist nicht gleich mit den Begriffen der Erwerbsunfähigkeit oder Dienstunfähigkeit zu verstehen. Vielmehr handelt es sich um einen eigenständigen juristischen Begriff, der zusätzlich auch medizinische Komponenten enthält. § 172 des Versicherungsvertragsgesetzes hält eine Definition der Berufsunfähigkeit parat. Danach gilt als berufsunfähig, „wer wegen Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen zuletzt ausgeübten Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.“
Dieser Definition kommt keine Bindungswirkung zu. Im Versicherungsvertrag können die Parteien eine eigene Definition der Berufsunfähigkeit festlegen. Die Begriffsbestimmung aus dem Versicherungsvertragsgesetz gilt allerdings immer dann, wenn nichts Abweichendes explizit vereinbart wurde. Außerdem kommt ihr eine Leitbildfunktion zu. So darf im Versicherungsvertrag nicht zu sehr von dem Begriff der Berufsunfähigkeit, wie er sich im Versicherungsvertragsgesetz findet, abgewichen werden.
Nicht nur für die Definition der Berufsunfähigkeit greift der Grundsatz der Privatautonomie. Vielmehr können die Vertragsparteien auch über das Umorganisationserfordernis bei Selbständigen oder über die Dauer oder den Beginn der Leistungspflicht grundsätzlich jedwede Vereinbarung treffen. Nur, wenn der Versicherungsnehmer durch die vereinbarten Klauseln unangemessen stark benachteiligt wird, können diese im Einzelfall unzulässig sein.
Bei der Antwort auf die Frage, ob der Versicherte wirklich berufsunfähig ist, kommt es alleine auf den Versicherten selbst, und auf seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit an. Nicht relevant sind in diesem Kontext bestimmte Berufsbezeichnungen oder typische Berufsbilder.
Dieser individuelle Fokus kommt dem Versicherten grundsätzlich zugute. Denn so muss er einen Wechsel seiner Tätigkeit oder deren konkreten Gestalt nicht ständig bei seiner Versicherung anzeigen. Stand die Berufsunfähigkeit des Versicherten einmal objektiv fest, bleibt der Versicherung nur noch das sogenannte Nachprüfungsverfahren. In diesem Rahmen kann die Versicherung darlegen, dass sich Tatsachen so verändert haben, dass eine Leistungspflicht für die Zukunft ausgeschlossen bleibt. Ein Nachprüfungsverfahren kommt jedoch nur in Betracht, wenn diese Möglichkeit konkret im Vertrag vereinbart wurde.
Viele Versicherungen verwenden in ihren Vertragswerken sogenannte Verweisungsklauseln. Diese können im Einzelfall unterschiedlich formuliert sein. Grundsätzlich behält sich die Versicherung mit dem Verweisungsrecht vor, den Versicherten auf eine andere Tätigkeit zu verweisen, zu deren Ausübung er seiner Ausbildung und seinen Kenntnissen nach im Stande ist, und die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Erst, wenn eine solche Verweisung nicht möglich ist, besteht eine Leistungspflicht der Versicherung.
Tritt der Versicherungsfall ein, beginnt das folgende Prozedere: Der Versicherte meldet den Versicherungsfall bei seiner Versicherung. In diesem Zuge ist er verpflichtet, alle relevanten Unterlagen einzureichen. Die Versicherung kann ihre Leistungspflicht nach der Fallprüfung dann entweder bestreiten, oder sie im Rahmen eines Anerkenntnisses bestätigen.
Neben dem klassischen Anerkenntnis gibt es auch die Möglichkeit ein befristetes Anerkenntnis zu erklären. Dem Versicherungsvertragsgesetz nach ist dies jedoch nur einmal möglich. Bis zum Ablauf der Befristung kommt dem Anerkenntnis eine Bindungswirkung zu. Ein bedingtes Anerkenntnis, in dem die Versicherung sich beispielsweise eine Verweisung vorbehält, ist unzulässig. Denn dank der Möglichkeit zur Befristung gibt es kein schutzwürdiges Interesse der Versicherung, welches Vorbehalte dieser Art rechtfertigen würde.
Ein weiteres Ärgernis: Viele Versicherungen legen in ihren allgemeinen Versicherungsbedingungen Tatbestände fest, bei deren vorliegen die Leistungspflicht ausnahmsweise ausgeschlossen ist (= Ausschluss).
Besondere Aufmerksamkeit sollte ein angehender Versicherungsnehmer den Ausschlusstatbeständen schenken, die viele Versicherungen in ihren Versicherungsbedingungen festlegen. Dabei handelt es sich um Regelungen, die eine Leistungspflicht der Versicherung in bestimmten Fällen ausschließen, obwohl objektiv alle Voraussetzungen erfüllt sind. Typische Ausschlusstatbestände sind solche, in denen die Berufsunfähigkeit durch eine vorsätzliche Gesundheitsschädigung oder eine Straftat verursacht wurde.
Im Dschungel dieser Ausschlusstatbestände, findet man sich als Versicherungsnehmer kaum zu Recht.
Viel zu schnell unterschreiben viele Versicherte deshalb Abfindungsvereinbarungen, die weit hinter dem zurückbleiben, was dem Versicherten eigentlich zusteht. Einmal unterschrieben, ist Entkommen schwer.
Auch in weiteren Bereichen ist Vorsicht geboten: Grundsätzlich obliegt dem Versicherungsnehmer eine vorvertragliche Anzeigepflicht. So soll die Versicherung eine genaue Risikoeinschätzung vornehmen können. Falschangaben gegenüber der Versicherung, die im Rahmen dieser Anzeigepflicht getätigt werden, können fatale Folgen haben. Je nachdem, ob der Versicherungsnehmer die Fehlerhaftigkeit der Angaben zu verschulden hat, treten unterschiedliche Rechtsfolgen ein. Wurden die Falschangaben vorsätzlich oder grob fahrlässig getätigt, kommt der Versicherung womöglich ein Rücktrittsrecht gemäß § 19 VVG zu. Bei leichter Fahrlässigkeit oder bei fehlendem Verschulden könnte die Versicherung den Vertrag stets mit einer Frist von einem Monat kündigen.
Am gravierendsten sind die rechtlichen Folgen der Arglistanfechtung (§ 123 BGB). Hat der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht arglistig verletzt, kann die Versicherung den Versicherungsvertrag anfechten.
Der Versicherte ist nämlich verpflichtet, die Versicherung im Zuge des Vertragsschlusses über seine gesundheitliche Situation und die Gestalt seiner Tätigkeit zu informieren. In der Regel gibt der Versicherte diese Informationen im Rahmen eines Telefoninterviews oder eines Fragebogens an die Versicherung weiter. Bei all diesen Angaben ist der Versicherte verpflichtet, sich an die Wahrheit zu halten. Falschangaben können fatale Folgen haben. Hat der Versicherte beispielsweise ein geringeres Einkommen angegeben, als er tatsächlich erhält, nur um in einer niedere Prämienklasse zu rutschen, kann die Versicherung den Versicherungsvertrag anfechten.
Die Konsequenz: Je nachdem, ob die Falschangaben des Versicherten arglistig, vorsätzlich bzw. fahrlässig oder gänzlich unverschuldet getätigt wurden, knüpft das Gesetz unterschiedliche Rechtsfolgen an. Im schlimmsten Fall gilt der Versicherungsvertrag als von Anfang an nichtig. Aufgrund spezieller Regelungen im Versicherungsvertragsgesetz darf die Versicherung in diesem Fall sogar alle bislang gezahlten Prämien einbehalten.
Wirft Ihnen die Versicherung (zu Unrecht) etwaige Falschangaben vor oder erfolgten die Angaben versehentlich? Hier sollten Sie sich von Experten anwaltlich beraten lassen.